Traumatherapie

Hinter dem Begriff Traumatherapie steht eine Reihe unterschiedlicher Ansätze der verschiedenen Therapieschulen. Im klassischen Sinne geht es im Rahmen der Maßnahmen vor allem um die Verbesserung der Bewältigung von Trauma-Folgestörungen. Dabei wird kaum unterschieden von einem singulären Ereignis, dem Schocktrauma, und dem Entwicklungstrauma mit traumatisierenden Erfahrungen aus sich wiederholenden Ereignissen in frühester Kindheit. Damit gemeint sind Erfahrungen des Säuglings oder Kleinkindes, wie pränatale schwierige Zustände, schwierige Geburt, Kaiserschnitt, fehlender Kontakt nach der Geburt, wenig Körperkontakt, Vernachlässigung, Schreien lassen u.a. Diese Erfahrungen bewerten wir aus der Perspektive der Erwachsenen als „nicht so schlimm“.  Wissenschaftliche Erkenntnisse aus Neurobiologie und Bindungsforschung lassen aber genau diese Traumata mehr in den Fokus rücken.

Therapeutische Arbeit

In der therapeutischen Arbeit mit Traumatisierten gilt es in der Vorgehensweise zu unterscheiden zwischen:

  • Schocktrauma (singuläres, abgeschlossenes Ereignis, Beispiele: Autounfall, Sturz, Operation)
  • Entwicklungstrauma (frühe, oft die ersten 4 Jahre eines Lebens prägende Störungseinflüsse auf Bindung und Kontakt. Beispiele dafür sind andauernde emotionale, körperliche und sexuelle Gewalt oder auch stundenlanges Schreien lassen)
  • Sozialem Trauma (katastrophale Situation, die viele Menschen gleichzeitig betrifft, Beispiele: Terror, Krieg, Flugzeugabsturz)
  • Sekundärtrauma bei Helfern oder Zeugen
  • Generationsübergreifendem Trauma (Verdrängung, seelische Verletzung, Abspaltung und Überzeugung der Kriegskinder-Generation mit prägenden Einflüssen auf nachfolgenden Generationen)

Trauma und Körper

Jede traumatische Erfahrung betrifft den Körper. Denn die Rolle des Körpers und die Bewältigungsstrategien des Nervensystems rücken immer mehr in den Vordergrund. Bei einem Schocktrauma geht die Aktivierung durch eine vorübergehende Erstarrung hindurch. In einem Entwicklungstrauma geht die Aktivierung in eine Art dauerhaften Totstellreflex über. Wenn der Körper keine Meldung bekommt, dass das Ereignis vorbei ist, entsteht eine traumatische Reaktion und die Stressreaktion kann sich nicht normalisieren.

Erfahrungen der frühen Kindheit prägen uns am stärksten, aber wir haben keine Erinnerung daran. Sie hinterlassen im Körper ein hohes Stressniveau und es gibt noch keine Fähigkeiten, damit leidmindernd selbstregulativ umzugehen. So geht dann das „System Mensch“ mehr und mehr funktionierend durchs Leben, ohne die befriedigenden Seiten von erkundenden und selbstberuhigenden Fähigkeiten, Neugierde, Impulskontrolle oder fokussierender Aufmerksamkeit zu erleben. Dies ist ungeheuer anstrengend, erschöpfend und unbefriedigend. Das Leid bekommt unterschiedliche Ausdrucksformen über Symptome, die chronisch werden können. Sie finden sich in einer Depression, einem Burn-out, in einer Angststörung oder in chronischen Schmerzen wieder. Das Individuum ist unwissentlich weit entfernt von einer erfolgreichen Integration dessen, was geschehen ist, in die eigene Biographie. Dies ist ein Dilemma und erzeugt Gefühle wie Anders-, Abgeschnitten-, Falsch- oder Unfähigsein.

Trauma und Psyche

Ein Psychotrauma ist eine seelische Wunde (das griechische Wort für Wunde ist „Trauma“). Das Trauma ist eine tiefe Erschütterung unseres Selbst. Es „…unterdrückt die Entfaltung des Lebens und erstickt unsere Versuche, mit unserem Leben voranzuschreiten. Es unterbricht die Verbindung zu uns selbst, zu anderen Menschen, zur Natur und zu unserer geistigen Quelle.“ (Dr. P. Levine, 1997). Die Auswirkungen eines traumatischen, möglicherweise lebensbedrohlichen Ereignisses, hängen von der Regulationsfähigkeit, den Ressourcen und den Lebensumständen des Individuums ab. Symptome sind u. a. intensive Angst, Hilflosigkeit, Beklemmung, Schreckhaftigkeit, Übererregung, Flashbacks, Albträume, Dissoziative Störungen, Intrusionen (Einbrüche von Trauma-Material in den Alltag) und Vermeidung.

Trauma und Kontakt

Traumatische Erfahrungen im Laufe der kindlichen Entwicklung können auf unterschiedlichste Weise die Entfaltung dieser menschlichsten Talente verstellen. Es schwindet das Lernen über Kontakt, Bewegung und Wahrnehmung und wird durch Kontrolle, kognitive Konstrukte und Rückzug ersetzt. Aber wir Menschen sind soziale Wesen und lernen im sozialen Kontakt und Kontext. Menschen mit tiefgreifenden seelischen Wunden, Beziehungsängsten und Angst vor dem eigenen Körper kommen allein oft nicht weiter. Sie probieren deshalb viele Wege des Gesundheitsmarktes aus. Und sie suchen Unterstützung in einem psychotherapeutischen Weg.

Trauma und Körperpsychotherapie

Eine körperzentrierte Traumatherapie bietet einen Rahmen, sich dem eigenen Körper als Verbündeten im Heilungsprozess bewusst zu werden. Ebenso gilt es für Betroffene, sich dem Gefühl für vom Körper bereitgestellte biologische Lösungsmöglichkeiten anzunähern. Dies beinhaltet auch langsame Schritte, Abstand zu denjenigen Überzeugungen zu gewinnen, welche der Entfaltung von Lebenskraft im Weg stehen.

Ich arbeite in meiner Praxis in Dresden mit dem körperpsychotherapeutischen Ansatz von Somatic Experiencing. Die Betroffenen werden in ihrer Toleranz gegenüber körperlichen Empfindungen unterstützt. Das Vertrauen in Körpersignale wird gefestigt und die Angst vor körperlichem Erleben kann im besten Fall einer selbstwirksamen Neugierde weichen. Kognitive und emotionale Prozesse, Ressourcen wie Widerstände werden achtsam für die Genesung genutzt. So wie sich die betroffene Person unwillkürlich in körperlich tiefer Anspannung mit all ihren seelischen und kognitiven Auswirkungen eingeschlossen fühlt, so hält der Körper auch Mechanismen zur Selbstregulation bereit.

Ganzheitliche Körperpsychotherapie

Die Körperpsychotherapie stellt mittlerweile eine elementare Säule des methodischen Spektrums der Psychotherapie und einen wichtigen Baustein in der ganzheitlichen psychosomatischen – und Traumatherapie dar. Die Bewusstheit über innere Vorgänge und Gefühle kann nicht allein durch Erkenntnis erreicht werden. Ohne Verkörperung kann kein Wissen wirken und kann es keine Veränderung geben. Der Körper spricht oft eine andere Sprache als das gesprochene Wort und ist unmittelbarer mit der Gefühlswelt verbunden. In seinem Ausdruck schwingen unbewusste Abläufe mit. Diese bewusst wahrzunehmen, zu beobachten und einzuordnen braucht Mut, Zeit und Kraft. Denn die Selbsterfahrung wird zunächst gespeist aus früheren Bewältigungsstrategien bevor darunterliegende eigene Bedürfnisse, Empfindungen, Emotionen und Potentiale gefühlt werden können.

Anschließend lernt der Geist einzuordnen, was oder dass es Sinn stiftet.